Kafkas „Verwandlung“ auf der Bühne,
„Theater sollte reguläres Schulfach werden’’
Am dritten Wochenende im Oktober präsentierte die 12. Klasse in drei Aufführungen ihr Theaterprojekt “Warum fair, wenn’s auch unfair geht“.
Der Text, sehr frei bearbeitet von Regisseur und Autor Gerald Friese, basiert auf einem nun stark veränderten Schauspiel Wolfgang Malischewskis. Es zeigt die Auseinandersetzung einer Schulklasse mit der Erzählung Franz Kafkas „Die Verwandlung“, aber es geht auch um Mobbing zwischen einigen der Schülerinnen und dessen Überwindung.
Die Bühne war funktionell in vier Schauplätze aufgeteilt, drei in jener Schule, dem Foyer, dem Klassenzimmer und der Mensa. Auf der rechten Seite war das Jugendzimmer der Hauptfigur Trude zu sehen. Das hatte den Vorteil, dass bei Szenenwechseln nur wenige längere Bühnenumbauten nötig waren.
Trude, hervorragend gespielt von Noa Busch, ist die Schülerin eines städtischen Gymnasiums, sie ist eine introvertierte und verletzliche Jugendliche, aber gleichzeitig willensstark und pflichtbewusst. Sie protestiert gegen Fleischkonsum, den Stillstand in der Klimafrage und Ungerechtigkeit gegenüber Minderheiten. Ihren Mitschülerinnen und Mitschülern, darunter Marie und Alex, von Charlotte Palmer und Lucca Pfeilinterpretiert, versucht sie, kostenlosen Latein-Nachhilfe-Unterricht anzubieten, und selbst den bösartigen Anfeindungen seitens ihrer Klassenkameradin Jessi, glamourös interpretiert von Mia Luna Drotleff, deren Sprüchen und gemeinen Anspielungen, begegnet Trude stets freundlich und nachsichtig. Dennoch wird sie von Jessi weiterhin gnadenlos gemobbt.
Als Trude sich entschließt, der Theatergruppe der Schule beizutreten, deren Leiterin Franz Kafkas „Verwandlung“ in einer modernen Interpretation auf die Bühne bringen will, erreichen die Mobbing-Angriffe ihrer ebenso teilnehmenden Mitschülerin eine nächst höhere Stufe. Als jedoch die Lehrerin Frau Zippolt, wortgewandt dargestellt von NeeleBalzer, Trude gar die Hauptrolle des Stückes anträgt, die des Gregor Samsa, der sich “eines Morgens in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt fand“, bietet dies der mobbenden Schülerin weitere Möglichkeiten, ihr “Ungeziefer-Vernichtungsmittel“ gegen die Kontrahentin auszusprühen.
Die Intervention des Vaters – diese Rolle spielte einfühlsam Samuel Seebacher – bei der Lehrerin, seine Bitte, die Tochter Trude nicht als Gregor Samsa einzusetzen, da sie ohnehin schon traumatisiert sei, bleibt erfolglos.
Unerwarteterweise allerdings verwandelt sich Jessica durch die Proben am Theaterprojekt von einer gehässigen Mobberin in eine Bewunderin ihrer Klassenkollegin, was die Lehrerin Frau Zippolt zum Vorschlag hinreißen lässt: „Theater sollte ein reguläres Schulfach werden!“
Das Stück ist durch seine Botschaft aktueller denn je, zur Sprache kommt auch die diesjährige Vergabe des Literatur-Nobelpreises an die Südkoreanerin Han Kang und deren Roman „Die Vegetarierin“, da ja Bezüge zu der Hauptfigur des Stückes Trude bestehen.
Für Bühnenbild, Kostüme, Requisiten und der Plakat-Erstellung war das Ensemble zuständig, dem Beleuchter-Team gehörten Svea Schwab, Frida Balzer, Eden Glück, Matti Brunnmeier und Jonas Walter an.
Dem Stuttgarter Regisseur, Schauspieler & Autor Gerald Friese, dem es ein Anliegen war, die Erzählung Kafkas in den Mittelpunkt seiner Inszenierung zu rücken, gebührt besonderes Lob für die Textbearbeitung und die Besetzung der Figuren.
Die drei Aufführungen fanden vor fast vollbesetztem Saal der FWS Vaihingen statt und ernteten den gebührenden Applaus seitens des Publikums.
Hans Vastag